Ein oft gehörter Einwand gegen das Tragen eines Mund-/Nasenschutzes ist die Rückatmung von Kohlendioxid (CO2). Ist der Einwand berechtigt oder handelt es sich hier nur um einen Vorwand?

Es gibt nach heutigem Stand keinen Beleg, dass das Tragen von Alltagsmasken, medizinischen Mund-Nasen-Schutz (MNS) und Community-Masken, bei richtiger Anwendung und bei gesunden Personen zu einer Gesundheitsgefährdung oder Gesundheitseinschränkung durch CO2-Rückatmung führt. Eine Akkumulation von Kohlendioxid im Blut ist durch die Norm EN 14683:2019 seit 2009 bei MNS begrenzt, die den Ausatemwiderstand vorgibt. Die oft einseitig zitierte Dissertation Butz (2005) ist damit ebenfalls überholt. Selbst für Kinder besteht keine Gesundheitsbeeinträchtigung durch die behauptete CO2-Rückatmung. Herz- oder Lungenvorerkrankte sollten – auch aufgrund des Atemwiderstands – mit ihrem Arzt sprechen.

Abstract

Es wird eingewendet, dass beim Tragen medizinischer Gesichtsmasken (OP- bzw. chirurgische Masken, MNS) der Atemwiderstand zu groß sei. Dadurch soll es zu einer Rückatmung von CO2 kommen und damit zu einer Akkumulation von CO2 im Blut mit gesundheitlichen Folgen. Als Beleg wird eine Dissertation der Technischen Universität München (TUM) von Ulrike Butz ​[1]​ angeführt, die dieses Fragestellung untersucht hat und die Annahme der Maskenkritiker bestätigen soll.

Hier wird die CO2-Rückatmung und der Atemwiderstand bei Alltagsmasken, medizinischem Mund-Nasen-Schutz​*​ (MNS) und Community-Masken besprochen. Es wird bewertet, ob es zu gesundheiltlichen Schäden in Bezug auf akkumulierte CO2-Atmung kommen kann.

Mund-Nasen-Schutz (MNS)

Die Dissertation von Ulrike Butz ​[1]​ wurde 2005 publiziert. Eine neue Norm EN 14683 ​[2]​ ist 2009 veröffentlicht worden, die Vorgaben bzgl. Atemwiderstand über die Druckdifferenz von MNS, von dem auch die CO2-Durchlässigkeit abhängt, für Hersteller, Importeure und Prüfer macht. Es gab 2014 und 2019 Aktualisierungen zu dieser Norm. Damit ist ​[1]​ seit 2009 nicht mehr zitierbar, da die heutigen MNS-Masken dieser Norm genügen müssen, die es 2005 noch gar nicht gab. Hiermit wäre die Frage bereits beantwortet, da die Ergebnisse von ​[1]​ heute nicht mehr zutreffen.

Die Norm EN 14683 legt fest, dass für medizinische Gesichtsmasken des Typs I, die den heute im Einzelhandel verfügbaren MNS entsprechen, die Druckdifferenz 40 Pa/cm² nicht überschreiten darf.

DIN EN 14683:2019+AC:2019 (D), S.10 ​[2]​

Darüber hinaus wird die Art und Weise der Prüfung festgeschrieben, um vergleichbare Prüfergebnisse zu erhalten.

Aber selbst Butz differenzierte schon 2005, die teilweise falsch zitiert oder umgedeutet wurde. Zwar stellt Butz auf Seite 29 fest, dass bei den beiden Masken-Kohorten „stiegen die Werte für transkutanes CO2 kontinuierlich an“ , aber auf Seite 30ff konnte keine signifikante Änderung der Herz- und Atemfrequenz festgestellt werden. Das wäre wohl zu erwarten, wenn die Sauerstoffsättigung im Blut und damit die O2-Versorgung des Körpers signifikant sinkt. Auf S. 32 schreibt Butz: „Sauerstoffsättigung wurde als Kontrollparameter beobachtet und erfasst. Die gemessenen Werte lagen alle im Normbereich. Eine signifikante Änderung während der Tests war nicht zu beobachten.“ . Das widerspricht manchen Behauptungen in sozialen Medien zu dieser Dissertation, die behaupten, die O2-Sättigung würde sinken.
Sie spricht zwar in der Zusammenfassung kritisch von Hyperkapnie, die aber erst bei einem CO2-Partialdruck im Blut ab 45 mmHg auftritt ​[3]​, sie selbst hat aber 5,6 mmHg transkutan gemessen. Sie empfiehlt trotzdem das Tragen der MNS weiter kritisch zu untersuchen. Und das wird dann gerne in sozialen Medien umgedeutet. Der Kontext wird auch nicht berücksichtigt. Aber durch die neue Norm, die es zur Zeit ihrer Untersuchung nicht gab, ist ihre Einschätzung heute überholt.

Community Masken

Für die Community-Masken gibt es keine gesetzlichen Vorschriften. Es handelt sich nicht, wie bei den MNS-Masken, um Medizinprodukte, sondern um Kleidungsstücke ​[4]​. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht aber Empfehlungen ​[4]​ für Hersteller.

Aufgrund der größeren Poren der verwendeten Stoffe geht man aber von einem geringeren Atemwiderstand als beim MNS aus. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch CO2 wäre dann ebenfalls nicht gegeben.

Kinder

Auch für Kinder gibt es keine Hinweise, dass es zu einer gesundheitsbeeiträchtigen CO2-Rückatmung kommt ​[5], [6]​. Der Kinderarzt Jakob Maske: „“Das geringere Lungenvolumen bei Kindern ist nicht so gering, als dass die Atemluft Platz zwischen Gesicht und Mundschutz hätte“, so Maske. „Da besteht auch für kleinste Kinder keinerlei Gefahr.“ Mit jedem Atemzug komme wieder ausreichend frische, sauerstoffreiche Luft in die Lungen.“. Auch der Kinderarzt Michael Achenbach sagt: „Die Gefahr eines CO2-Staus unter der Maske könne ausgeschlossen werden.“ ​[5]​. Bei Kindern jünger als 2 Jahren sind es eher praktische Gründe, die gegen eine Maske sprechen, als medizinische. Von dicht schließenden Masken, wie Staubschutzmasken aus dem Baumarkt, rät Maske und Achenbach bei Kindern ab.

Herz-/Lungenerkrankte

Bei Maskenträgern mit Herz- oder Lungenvorerkrankungen tritt nach einer 6-Minuten-Wegstrecke eine leichte Erhöhung des CO2-Parialdrucks im ausgeatmeten Gasgemisch (endtidales CO2, etCO2): „endtidales CO2 (34mmHg vs. 35,5mmHg)“ im Vergleich ohne Maske auf . Die O2-Sättigung sank nur minimal: „Sauerstoffsättigung (93,8% vs. 93%)“ ​[7]​ zitiert in ​[8]​. Es wurde aber in ​[7]​ keine MNS oder Communitymasken verwendet, sondern N95-Masken, die eher FFP2-Masken entsprechen. Bei Vorerkrankten sollte vorsichtshalber vorher ein Arzt konsultiert werden.

CO2-Akkumulation unter der Maske

Folgende Eigenschaften vermeiden eine signifikante Rückatmung von Kohlendioxid durch Akkumulation unter der Maske:

  • Ein Erwachsener atmet pro Atemzug ca. 1/2L Luft, Kinder (6-7 Jahre) etwas weniger als die Hälfte ​[9]​. Je älter sie werden, desto mehr nähert sich das Atemvolumen an das der Erwachsenen an.
    Das Totvolumen zwischen Gesicht und eng anliegender Maske dürfte einige Mililiter, bei Kindern nur wenige Mililiter betragen ​[6]​. Nur dort können sich Reste der Ausatemluft mit im im Vergleich zur Umgebungsluft erhöhtem CO2 befinden. Dies dürfte geschätzt nur einige Prozent der eingeatmeten Luftmenge betragen.
  • Das Material von Alltagsmasken (MNS oder Community-Masken) ist für CO2 durchlässig. Eine deutliche Akkumulation von CO2 im Totraum unter der Maske ist damit nicht gegeben.
  • Alltagsmasken schließen im Vergleich zu FFP-Masken nicht dicht mit dem Gesicht ab. So kann die ausgeatmete und eingeatmete Luft zusätzlich durch die Maske auch über die Seiten ein- und ausdringen. Das wiederum eine Akkumulation der Ausatemluft vermindert.

Laien-Messungen auf YouTube und Twitter

Verschiedene durch Laien durchgeführte Messungen von CO2 unter der Maske auf YouTube sind fehlerhaft durchgeführt und führen zu irreführenden Schlüssen. Die Hauptfehler sind:

  • Es wird statt der Einatemluft der CO2-Gehalt der Ausatemluft gemessen. Teilweise wird direkt auf den Sensor ausgeatmet.
  • Der CO2-Gehalt des Totraumvolumens kann aufgrund des geringen Volumens im Vergleich zum Atemvolumen nicht auf die gesamte eingeatmete Luftmenge übertragen werden.
  • Der Unterschied des Totraum- und des Einatemvolumens wird nicht berücksichtigt.
  • Der Versuchsaufbau lässt eine seriöse Messung der eingeatmeten Luft gar nicht zu. Es wird die ausgeatmete Luft gemessen. Es gibt keine Angaben zu den Spezifikationen der eingesetzten Messgeräte.

Fazit

Eine gesundheitseinschränkende CO2-Rückatmung ist durch die Alltagsmasken, wie Mund-Nasen-Schutz („OP-Masken“, MNS) oder Community-Masken, nicht zu belegen. Auch für Kinder gilt diese Einschätzung. Bei Kindern unter 2 Jahren sprechen eher praktische statt medizinische Gründe gegen eine Maskennutzung. Herz- und Lungenerkrankte sollten mit ihrem Arzt sprechen.

Dichtschließenden FFP- und Staubschutzmasken sollten herz- und lungengeschädigte Personen aber auch Kinder aufgrund des Atemwiderstands nicht nutzen. Eine EN-Norm sorgen bei den MNS für gesetzliche Rahmenbedingungen bzgl. des Atemwiderstandes. Community-Masken sind weniger dicht und sollten einen geringeren Atemwiderstand aufweisen. Das BfArM​†​ hat Empfehlungen für Hersteller von Community-Masken veröffentlicht.

Eine Akkumulation von CO2 zwischen der Maske und dem Gesicht (Totraumvolumen) ist aufgrund der Art und des Materials der Masken nicht nachvollziehbar. Beim geringen Totraumvolumens einer eng anliegenden Maske in Bezug auf das Atemvolumen ist das auch irrelevant. Laienmessungen wurden fehlerhaft und unter nicht kontrollierten Bedingungen durchgeführt und sind irreführend.

Es gibt für gesunde Kinder und Erwachsene keine medizinischen Gründe, die auf eine gesundheitseinschränkende CO2-Rückatmung aufgrund von Alltagsmasken hinweisen.

Weitere Links

Quellen

  1. [1]
    U. Butz, “Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal,” Technische Universität München, München, 2005 [Online]. Available: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:bvb:91-diss20050713-2027575920. [Accessed: 17-Jun-2020]
  2. [2]
    DIN EN 14683. 2019, pp. 1–28.
  3. [3]
    Willibald Pschyrembel, Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 260th ed. Berlin: de Gruyter, 2004.
  4. [4]
    BfArM, “Empfehlungen des BfArM zur Verwendung von Mund–Nasen-Bedeckungen.” [Online]. Available: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html. [Accessed: 11-Jul-2020]
  5. [5]
    dpa, “Mediziner: Ausatmen unterm Mundschutz nicht gefährlich,” Presseportal, p. 1, 23-Apr-2020 [Online]. Available: https://www.presseportal.de/pm/133833/4579011
  6. [6]
    “Mund-Nasen-Schutz für Kinder während der Corona-Pandemie,” Kinder- & Jugendärzte im Netz, 22-Apr-2020. [Online]. Available: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/mund-nasen-schutz-fuer-kinder-waehrend-der-corona-pandemie/. [Accessed: 22-Jul-2020]
  7. [7]
    S. Kyung, Y. Kim, H. Hwang, J. Park, and S. Jeong, “Risks of N95 Face Mask Use in Subjects With COPD.,” Respir Care, vol. 65, no. 5, pp. 658–664, May 2020, doi: 10.4187/respcare.06713. [Online]. Available: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31992666
  8. [8]
    D. Dellweg, P. M. Lepper, D. Nowak, T. Köhnlein, U. Olgemöller, and M. Pfeifer, “Stellungnahme der DGP zur Auswirkung von Mund-Nasenmasken auf den Eigen- und Fremdschutz bei aerogen übertragbaren Infektionen in der Bevölkerung,” Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., Stellungnahme, May 2020 [Online]. Available: https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/COVID-19/2020-05-08_DGP_Masken.pdf
  9. [9]
    Spektrum der Wissenschaft, “Atemminutenvolumen,” Lexikon der Biologie. [Online]. Available: https://www.spektrum.de/lexika/showpopup.php?lexikon_id=9&art_id=5744&nummer=1988. [Accessed: 25-Aug-2020]

  1. ​*​
    Unter Mund-Nasen-Schutz (MNS) versteht man chirurgische Masken, medizinische Gesichtsmasken, Klinikmasken, OP-Gesichtsmasken oder Hygienemasken.
  2. ​†​
    Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte